Willensinitiative

Folgerichtigkeit im Gedankenleben soll durch Folgerichtigkeit im Handeln ergänzt werden. Alle Unbeständigkeit, Disharmonie im Handeln beeinträchtigt die feine erkennende Empfindlichkeit, die sich durch die Übungen bildet. Hat man etwas getan, so soll das folgende Handeln danach eingerichtet sein, daß es in logischer Art aus dem ersten folgt. Wer heute im anderen Sinn handelt als ge­stern, bringt ebenso das Unlogische, Unworthafte in sein Seelenleben wie der, der nicht logisch »denkt«.

Das dem Sinn nach folgerichtige Handeln kann durch die Übung des Willens erreicht werden, durch das »überflüssige Tun«. (Kap. 4.3), das aus nichts »folgt« nur aus dem ganz ursprünglichen, un-bedingten Willen des Übenden. Wie man sich das assoziative Denken abgewöhnen soll, so auch das »assoziative«, durch nicht-­bewußte Impulse veranlaßte Handeln. Mit »nicht-bewußt« ist wie­der nicht der Inhalt des Impulses, sondern sein Ursprung gemeint. Damit die höhere, intuitive Spontaneität sich im Handeln verwirkli­chen kann, muß das Willensleben erst unter die Kontrolle des autonomen Ich-Wesens kommen. Dann, befreit von dem Unterbe­wußten, können in ihm die Intuitionen aus dem Überbewußten sich verkörpern.

Die Willensübung kann beispielsweise folgendermaßen ausgeführt werden. Wir entschließen uns, für eine Zeit – ein bis zwei Wochen – eine sehr einfache überflüssige Handlung, womöglich, aber nicht unbedingt, zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu vollzie­hen, z.B. einen Knopf auf- und wieder zuzuknöpfen. Das Ausfüh­ren beginnt damit, daß wir alles andere Tun entschieden unterbre­chen. Wir bleiben still stehen und sammeln alle unsere Kräfte, um ganz und ausschließlich auf unsere Bewegung zu achten, die wir in der vorgenommenen Handlung ausführen werden.

Der Augenblick des Beginnens soll von allem anderen in unserem Gedankenleben und auch von der Umgebung des Tageslebens so vollständig isoliert sein, als ob wir mit unserem ganzen Wesen in einen luftleeren Raum treten würden: Wir erleben die Totalität unseres anfangsetzenden Wollens im Beginn dieses Tuns, wie sie in die Bewegungen hineinströmt.

Das Berühren des Knopfes, sein Bewegen und alles weitere soll ganz langsam geschehen, damit das Handeln in jedem Augenblick vom Willen durchströmt werden muß. Keine Einzelheit daran soll von der schlafenden Gewohnheit der Bewegung, vom Automatis­mus durchdrungen sein, und es soll auch keine Phase des Vollzie­hens durch »Geschicklichkeit« schwungvoll übersprungen werden. Es soll das Gefühl in uns entstehen, daß die kleinsten Einzelheiten der Handlung jetzt, zum allerersten Mal ermittelt werden müssen. Wir tauchen in das Wie dieses sonst leichten und oberflächlich erlebten Tuns ganz ein, bestrebt, Meister zu werden in der gegenseitigen verfeinerten Berührung von Fingern und Gegen­stand, in der Bewegung des Armes, in der ausgebreiteten Zeit­spanne des Daraufachtens. Der Entschluß zum Handeln fließt durch die Resultanten des Wollens und des ihn durchwebenden Denkens in die Landkarte des Vollziehens. Das Beendetwerden des Handelns soll in klarer, konzentrierter Aufmerksamkeit erfaßt wer­den. Eventuell kann im Denken der Anfang, das Tun, das Beenden wieder durchlebt werden, als ob diese drei Phasen ein Akt, ein Impuls wären.

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