Der richtige Entschluss

Der zweite Seelenvorgang, an dem zu arbeiten ist, ist das Sich-Entschließen. Man soll sich auch zum Unbedeutenden nur aus Überlegung entschließen. Alles gedankenlose Tun, alles bedeu­tungslose Handeln soll vermieden werden, man handle nur aus wohlerwogenen Gründen und unterlasse, wozu man durch Moti­ve, die keine Wichtigkeit haben, geführt wird. Ist man von der Richtigkeit eines Entschlusses überzeugt, soll daran in innerer Stand­haftigkeit festgehalten werden. Das ist das sogenannte richtige Ur­teil, das nicht von Sympathie oder Antipathie abhängig sein kann.

Der Mensch handelt oft, ohne sich bewußt dazu zu entschließen, und er handelt auch oft gegen seinen Entschluß. Das zu bemerken, darauf zu achten ist der erste Schritt in dieser Übung, die den Menschen dazu führt, daß er aus bewußtem Entschluß handeln lernt. Dieser hat seine Quelle im Urteil, in der Beurteilung der Umstände. Die geübte Urteilsfähigkeit kann intuitiv sein – Geistes­gegenwart -, und je folgerichtiger der Übende nach seinem Ent­schluß handelt, umso sicherer wird seine Urteilsfähigkeit funktio­nieren. Das Handeln gegen den gefaßten Entschluß, gegen das eigene Urteil beeinträchtigt diese Fähigkeit, besonders dann, wenn es nicht bemerkt wird oder wenn man das Urteil, den Entschluß nachträglich zur Rechtfertigung des Handelns ändert.

Trotzdem wäre es nicht angebracht, alles Spielerische aus dem Leben zu verbannen. Der Mensch soll aber wissen: »Jetzt spiele ich.« Wenn man gegen die eigene Einsicht handelt, sollen die Quellen der dazu treibenden Impulse aufgesucht, angeschaut und nicht beschönigt werden. Man soll sich gegenüber den unterbewußten Impulsen weder in Illusionen wiegen noch sie gedanklich rechtfertigen. Wenn man ihnen folgt, soll das wenigstens in Bewußt­heit geschehen – was nicht bequem ist.

Aus dem Kampf zwischen unserem Urteil und anderen Impul­sen kann eine Liebe zur Urteilskraft entstehen, auf die der Mensch kaum mehr verzichten will, wenn er sie einmal erlebt hat. Das Funktionieren-Lassen der Urteilsfähigkeit gebiert diese Liebe zu ihr, und diese wiederum steigert diese Fähigkeit. Die Fähigkeit geht dann immer mehr in die Geistesgegenwärtigkeit über, in die helle Lebendigkeit der Urteilskraft, der die Liebe gilt und mit der zusam­menzuwirken der innerste Wunsch des Menschen ist.

zurück