Die erste Übung besteht darin, daß wir Aufmerksamkeit und Sorgfalt auf unsere Vorstellungen, auf die Art und Weise ihrer Bildung wenden.
Gewöhnlich verläßt sich der Mensch diesbezüglich ganz auf den Zufall. Er hört, er sieht dieses oder jenes, und es bildet sich in ihm dementsprechend eine Vorstellung. So kann sich sein Erkennen nicht entwickeln; er muß sich in dieser Richtung erziehen. Er muß auf seine Vorstellungen achten lernen, in ihnen eine Nachricht der Außenwelt sehen; er darf sich mit Vorstellungen, die nicht diese Bedeutung haben, nicht zufrieden geben. Er soll seine ganze Begriffswelt so ausbilden, daß sie ein treuer Spiegel der Außenwelt werde, und danach streben, unrichtige Vorstellungen aus der Seele zu entfernen. Er bemühe sich, allmählich das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Vergängliche vom Ewigen, die Wahrheit von der bloßen Meinung im Gedankenleben zu unterscheiden. Er versuche, beim Anhören der Rede anderer innerlich ganz still zu werden und auf jegliche Zustimmung, namentlich aber auf jedes abfällige Urteilen, jede Kritik, auch in Gedanken und im Gefühl zu verzichten.
Der Mensch ist nicht gewohnt, seine Vorstellungen auf ihre Richtigkeit hin zu untersuchen, obwohl sie oft voreilig und unter Einfluß von Sympathien und Antipathien entstehen. Die Denkkonzentration lehrt uns die Möglichkeit, Vorstellungen allein willentlich zu bilden. Beim Vorstellungsbilden unter einem Eindruck muß das nicht-bewußte, spontane Hervorgehen ebenso ausgeschlossen werden wie in der Konzentrationsübung. Wenn ich zu der richtigen Vorstellung von einer Sache gelange, entsteht ein Gefühl: daß ich mit der Wahrheit, die sich auf die Sache bezieht, mit ihrem Entdecken, mit ihrem Sein identisch werde. Ist die gebildete Vorstellung falsch, dann entsteht zwischen der Tatsache und der Vorstellung eine andauernde, unangenehme, energieverbrauchende Auseinandersetzung und Spannung, solange die Tatsache nicht ganz in das falsche Bild eingeschlossen wird. Darauf baut sich dann eine Reihe weiterer falscher Vorstellungen auf.
Die Forderung, das Ewige vom Vergänglichen, die Wahrheit von der subjektiven Meinung zu unterscheiden, scheint zunächst eine sehr hochgestellte Anforderung zu sein. Die tiefe Lebensbewegung der Seele hat aber eine Neigung zu dieser Unterscheidung, denn es ist für sie Arznei und Balsam, sie zu treffen.
Die Bildung einer Meinung oder Vorstellung soll nicht von Gefühlen begleitet sein. Die Vorstellungen, die unabhängig von spontanen Gefühlen gebildet werden, entfachen dann die richtigen, entsprechenden Gefühle, die in Einklang und Identität mit der Wahrheit sind. Eigentlich sollte nur die Wahrheit Gefühle erwecken: die Harmonie der Gefühle mit der Wahrheit führt zur Heilung aller Krankheiten und Leiden, die den Menschen plagen und belasten.